Oder der Umstand, daß eine kontinuierliche Ausbildung vom Jungen zum Vollmatrosen, wie in der Berufsschiffahrt üblich, nicht möglich und auch nicht beabsichtigt ist. Weiterhin ist es ein Anliegen des Verfassers, dem Phänomen der Betriebsblindheit, die auch und gerade den routinierten Fahrensmann erfassen kann, entgegenzuwirken.

Die Darstellung beginnt mit Grundlagenwissen zu Sicherheit, Rudertörn, Ausguck, Wacheinteilung und dergleichen, dann geht es sehr schnell konkret ans Rigg. Von den Basis-Handgriffen spannt sich dabei der Bogen bis hin zu komplexen Segelvorgängen wie Wenden, Halsen und Mann-über-Bord-Manöver. Endlich wird hier, wie auch in den übrigen Abschnitten des Buches einmal der alte Seefahrtsspruch „Andere Schiffe - andere Langspleiße!“ beherzigt und nicht eine Methode als die allein seligmachende gepriesen und alles andere als schlichtweg falsch gebrandmarkt. Auch wenn es den Vertretern der Antikopfschlag-Liga nicht gefällt: Man darf damit belegen, vorausgesetzt, man macht es fachmännisch!

Wichtig an Jochens Handbuch: Sicherheit wird stets im Gesamten wie im Detail groß geschrieben. Dem einen oder anderen Benutzer könnte das Kapitel Knoten und Spleiße zu breit gefaßt erscheinen. Der Rezensent findet’s gut, vor allem auch deshalb, weil die Verwendbarkeit der Knoten und ihr Einfluß auf die Bruchlast aus der Sicht des Praktikers im Gegensatz zu vielen Knotenbüchern gezielt dargestellt wird. Der Band ist mit einprägsamen Zeichnungen und Skizzen ausgestattet, von denen man sich zu konkreten Einzelthemen, beispielsweise zum Festmachen an Ringen, gerne noch einige mehr gewünscht hätte. Ein eigener Abschnitt aus der Feder von Joachim Fielitz, Schiffsführer des Besanewers WILHELMINE VON STADE über die Besonderheiten des Segelns mit Plattbodenschiffen bietet Wissensgut, das man im deutschsprachigen Raum sonst nicht in gedruckter Form findet.

Der Band steht weniger in der Tradition der diversen Lehrbücher zur Seemannschaft und Traditionsschiffahrt, wie etwa Kusk oder der Gaffelfreund, sondern mehr in jener der angloamerikanischen Manuals und der speziellen Segelanweisungen, wie sie für etliche Großsegler existieren. Aufgrund der Materialfülle und des unmittelbaren Bezugs zur Praxis ist der vorliegende Titel sicher kein Mittel zum Auswendigpauken im stillen Kämmerlein. Der Rezensent meint, daß dieser Band abschnittsweise im Wechsel mit dem praktischen Segelbetrieb gelesen werden oder etwa bei auftretenden Fragen im Bordbetrieb zu Einzelfragen zu Rate gezogen werden sollte. Für den newcomer ist er sicherlich ein verläßlicher Ratgeber, für den Erfahrenen ein fundiertes Repetitorium, welches der Tatsache Rechnung trägt, dass die Aus- und Weiterbildung der Decksleute auf den Traditionsschiffen zu einem erheblichen Maß in die Eigenverantwortung des Einzelnen gestellt ist.

 

© Wolfgang Bühling